Das Thema bzw. der Begriff Spitzenförderung wird in der Schule in der Regel so verstanden, dass die besten Schülerinnen und Schüler besonders gefördert werden.
Hierfür stehen zahlreiche Förderinstrumente zur Verfügung: Wettbewerbe in vielen Fächern, Neigungsklassen, spezielle Kurse, mehrsprachiger Unterricht, Kooperationen mit externen Partnern und vieles mehr. Sogar spezielle Schulen, die sich auf die Spitzenförderung im Bereich Sport, Musik, Sprachen oder Naturwissenschaften spezialisiert haben, gehören zu diesem Repertoire.
All diese berechtigten Ideen und Konzepte haben gemein, dass sie unter Spitzenförderung verstehen, dass wenige Schülerinnen und Schüler – nämlich die Leistungsspitze – in besonderer Weise gefördert werden sollen.
Ich finde einen anderen Ansatz der Spitzenförderung ebenso spannend und bedenkenswert.
Jede Schülerin und jeder Schüler hat Stärken und ist in einem Bereich sehr gut. Nicht immer ist dies im Vergleich zu anderen Kindern zu sehen, aber im Vergleich zu anderen Fähigkeiten dieses Kindes gibt es Begabungen, Talente, besondere Neigungen u.ä.
Spitzenförderung kann man auch so verstehen, dass eben diese Talente besonders gefördert werden. Die Schule sollte systemisch so flexibel werden, dass wir eine solche Form der Spitzenförderung etablieren können.
Parallel zu diesem Ansatz müssten wir auf breiter Ebene diskutieren, was wir unter Allgemeinwissen und Allgemeinbildung im 21. Jahrhundert verstehen. Welche Fähigkeiten und Fertigkeiten müssen alle Schülerinnen und Schüler im Laufe ihres Schullebens erwerben? Neben der Vermittlung dieser Kompetenzen könnte dann die Spitzenförderung im Sinne der eigenen Fähigkeiten und Fertigkeiten in den Mittelpunkt rücken, damit wir die Energie, die wir in der Schule über Jahre einsetzen dort investieren, wo sie auf fruchtbaren Boden fällt. Noch investieren wir zu viel Kraft, um ein Mittelmaß zu erzeugen.
Gerade in Zeiten von KI und Globalisierung ist es immer wichtiger, dass Schülerinnen und Schüler motiviert und mit Freude am lebenslangen Lernen die Schule verlassen und dabei gleichzeitig zentrale Fertigkeiten erlangen. Schulen und Gesellschaften sind nicht gut beraten, dort Mittelmäßigkeit zu fördern, wo KI schon jetzt gut ist und in wenigen Jahren spitze sein wird.
Wir sollten Leidenschaften fördern und die Schüler dort begleiten, wo sie individuelle Begabungen haben. Dies gerade auch in den Bereichen, in denen menschliche Fähigkeiten und Kreativität zentral sind. Damit könnte Bildung der Forderung nach Individualisierung und individueller Förderung gerecht werden und Spitzenförderung hätte einen Platz – nicht nur an allen Schulen, sondern für alle Schülerinnen und Schüler.