Vernetztes Wissen

Welche Stellenwert haben erlernte Fakten angesichts der Flut an Informationen im Netz und der Möglichkeit mit Chatbots bzw. KIs direkt „zu sprechen“?
Der Ansatz eines vernetzten Wissens kann hier vielleicht eine Perspektive öffnen.

Dabei meine ich nicht die Vernetzung verschiedener Menschen oder Instanzen oder den Zugang zum Internet. Gemeint ist die Vernetzung von Informationen, die ich aufnehme – oder eben auch nicht…

Das Gehirn funktioniert wie ein Muskel. Es nutzt sich nicht ab sondern wird bei Benutzung immer stärker. 

Ich habe irgendwo das Bild eines Netzes aus Fäden aufgeschnappt. Stell dir einen Brunnen vor. Dieser Brunnen steht für deine Erinnerungen, dein Wissen. Neue Informationen werden in Form von Seilen, Stricken und Fäden auf den Brunnen geworfen. Es bleiben zunächst nur sehr wenige Seile, Stricke und Fäden am Rand hängen, die meisten fallen direkt in den Brunnen und sind verschwunden. Einige wenige bleiben aber am Rand hängen und vergrößern die Fläche, an der später weitere Fäden,Stricke etc. hängen bleiben können. Mit der Zeit entsteht eine Art Netz, das sich über den Brunnen erstreckt. Je mehr Fäden das Netz umfasst, desto größer ist dann auch die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Fäden hängenbleiben. Oder anders ausgedrückt: Je mehr Wissen vorhanden ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Informationen andocken und hängen bleiben können.

Diese Art von vernetztem Wissen unterscheidet sich von einem Wissensbegriff, von dem manchmal behauptet wird: „Zu Wissen bedeutet, zu wissen, wo es steht.“ Im Sinne des beschriebenen vernetzten Wissens bedeutet zu wissen in einem ersten Schritt, zu wissen, dass etwas überhaupt existiert und eine basale Vorstellung davon zu haben. Erst danach kann ich anfangen nachzuschlagen und das Nachgeschlagene einordnen, bewerten und Details verstehen.

Hier sehe ich eine große Chance und Aufgabe von Schule. Wir bieten Orientierung und Allgemeinbildung, indem wir vernetztes Wissen schaffen, an dessen Basis weiteres Wissen anhaften kann. Wir sorgen dafür, dass in einigen Bereichen Angebote gemacht, Konzepte eröffnet und Fundamente gelegt werden, damit diese Strukturen zum weiteren interessengeleiteten Studium angebahnt sind.

Dabei haben wir natürlich nicht immer im Blick, wer an welche Seile, Stricke und Fäden anhaftet und hier seine/ihre Netze stärkt – die Breite des Angebots macht es aber hoffentlich für alle zumindest in Teilen spannend.
Ich versuche das in der Praxis oft einzubinden und damit gerade Fächergrenzen zu sprengen:

Ein für mich spannendes Beispiel ist die Zahl 10 bzw. ihr römischer Name „decem“. 

Von dieser leitet sich der Monatsname Dezember ab, da er ursprünglich der zehnte Monat im römischen Kalender war. Es braucht also nur einen Schritt von der Zahl zu unserem Kalender. 

Apropos Kalender. Der Kalender heißt Kalender, weil die Kalender neben den Nonen, den Iden (hier starb Cäsar) und den Terminalien einer der vier festen Feiertage jedes Monats war. Diese entsprachen den vier Mondvierteln.

Außerdem leitet sich der Begriff „dezimieren“ von der römischen Zehn ab. Dies war eine grausame Strafe des römischen Militärs für Feigheit im Kampf oder Befehlsverweigerung. Jeder zehnte Soldat einer Einheit wurde per Los gewählt und ermordet und somit wurde die gesamte Einheit bestraft.

In der Mathematik kennen wir die Dezimalzahlen und das Dezimalsystem. Zu diesem auf der Zahl 10 basierenden System, das wir aus vielen Lebensbereichen kennen, gibt es auch Alternativen, die in der Welt oder auch bei ungebraucht werden. Beispielsweise nutzten bereits die Sumerer ein Zahlensystem, das auf der Zahl 60 basiert, welches wir heute noch zur Bestimmung der Zeit oder auch von Winkeln verwenden.

Das Netz ließe sich beliebig erweitern und vergrößern – aber welche dieser Informationen könnte man nachschlagen und vertiefen, ohne zu wissen oder eine Ahnung davon zu haben, dass solche Zusammenhänge überhaupt existieren?


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