Wohin gehört die digitale Ethik?

Fragen der digitalen Ethik beschäftigen mich schulisch und privat seit einiger Zeit. Sie sind einerseits spannend und vielseitig, da sie aktuell und bedeutsam sind – andererseits verbinden sie Probleme und Herausforderungen der Gegenwart mit einem neuen Blick auf bekannte Positionen.

 

Die digitale Ethik innerhalb der Philosophie zu verorten ist dabei keineswegs so einfach, wie es zunächst erscheint und hat weitreichende Konsequenzen. Um dies zu zeigen, möchte ich zunächst kurz erklären, wie die Ethik innerhalb der Philosophie eingeordnet werden kann.

 

Philosophie als „Liebe zur Weisheit“ beschrieb Immanuel Kant in seinen berühmten vier Fragen:

„Was kann ich wissen?“

„Was soll ich tun?“

„Was darf ich hoffen?“ und

„Was ist der Mensch?“

wobei die Frage nach dem Menschen die anderen Fragen einschließt.

 

Der Ethik wird hier eine eigene Kategorie zugeordnet, wodurch ihre Bedeutung unterstrichen wird. Die Ethik als philosophische Disziplin befasst sich mit dem richtigen – dem guten Handeln. Auch hier kann man Teildisziplinen unterscheiden.

 

Die Metaethik schwebt gewissermaßen noch über den Sphären der Ethik. Sie befasst sich unter anderem mit der Frage, ob moralische Aussagen wahrheitsfähig sind. Stellen wir uns vor, wir sitzen in einem italienischen Restaurant und essen Pizza. Das Essen wird bestellt und gebracht und ich frage, ob die Pizza schmeckt. Die Frage nach dem Geschmack der Pizza verlangt nach einer Antwort. Nun könnte man mit „ja“ oder „nein“ oder einer blumigen Umschreibung antworten. Wichtig für uns ist, dass all diese Antworten nicht wahrheitsfähig sind, denn sie geben nur Auskunft über den persönlichen Geschmack einer Person. Wenn ich Salami nicht mag, dann kann kein Argument mich davon überzeugen, dass meine Salamipizza lecker ist. Bei der Rechnung sieht dies schon anders aus. Es gibt einen auf der Karte ausgezeichneten Preis und dieser lässt sich zu einer Rechnung über das gesamte Essen summieren. Wenn der Kellner am Ende eines schönen Abends die Rechnung präsentiert, hätten wir eine gemeinsame Grundlage, um im Streit um die Gültigkeit der Rechnung zu entscheiden: die mathematischen Regeln und Gesetze. Entweder die Summe der einzelnen Bestellungen wurde richtig summiert oder eben nicht, das lässt sich klar beziffern und nachrechnen.

Während die Frage nach dem Geschmack der Pizza also nicht wahrheitsfähig ist, bleibt beim Preis kein Zweifel – diese Frage ist wahrheitsfähig. 

Die Metaethik fragt nun in Bezug auf moralische Probleme, ob diese wahrheitsfähig sind (also einen überprüfbaren Maßstab besitzen) oder ob es sich um nicht-wahrheitsfähige Fragen handelt (die eher an Geschmacksurteile erinnern).

Die nächste „Ebene“ erreicht man nur, wenn man der Überzeugung ist, dass es sich um wahrheitsfähige Aussagen handelt, denn die Normative Ethik befasst sich mit der Theorie der Moral. Theorien aufzustellen, wie wahre Aussagen hervorgebracht oder als solche erkannt werden können, ist nur dann sinnvoll, wenn ich ganz grundsätzlich an die Wahrheitsfähigkeit dieser Sätze glaube. Die Theorien wiederum versuchen einen Maßstab zu entwickeln, der es uns auf einer abstrakten Ebene ermöglicht, Regeln auf die Praxis anwendbar zu machen. Man vergleicht sie daher gelegentlich mit der Grammatik. So wie die Grammatik die Theorie der Sprache ist – so stellt die normative Ethik die Theorie der Moral dar. Hier finden sich viele namhafte Vertreter der Philosophiegeschichte und ebenso namhafte Theorien: etwa Aristoteles Tugendethik oder Kants Pflichtethik, aber auch der Utilitarismus von Bentham und Mill gehören zu den Klassikern. 

Die angewandten Ethiken stellen die letzte und feinste Ebene dar. Sie wenden die Maßstäbe und Theorien der Normativen Ethik auf konkrete Fragen der Lebenswelt an. Häufig werden Fragen, welche gleiche Bereiche betreffen in Gruppen zusammengefasst. So spricht man etwa von Bioethik, Medizinethik, Umweltethik, Medienethik, usw.

 

Spannend in Bezug auf Fragen der digitalen Ethik ist nun, welchem Bereich diese zuzuordnen ist. Anhand der Unterteilung in verschiedene Ebenen sollte auch klar sein, weshalb dies nicht trivial ist. Zähle ich die digitale Ethik zum Bereich der normativen Ethik, erkennen ich an, dass die hier aufgeworfenen Herausforderungen derart umfassend oder neuartig sind, dass sie einer ganz neuen Sichtweise bzw. einer neuen Theorie bedürfen, die dann auf spezifische Fragen angewendet werden kann. Zähle ich sie dagegen zur angewandten Ethik, so halte ich sie für ein weiteres Spezialgebiet, welches mit Hilfe teilweise jahrhundertealter Theorien bearbeitet werden kann. 

 

Beide Lösungen halte ich für unbefriedigend. Mal scheint es Theorien zu geben, die übertragbar sind, mal scheint es einer eigenen Theorie zu bedürfen, um allen Dimensionen digitaler Ethik gerecht werden zu können. Eventuell liegt der Schlüssel aber auch in einer neuen Sichtweise auf die Metaethik und ihre Folgerungen. 

 


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