Investitionsstau

Das Schlagwort „Investitionsstau“ scheint in aller Munde zu sein. Mir persönlich war es in den letzten Jahren besonders aufgefallen, als die Medien intensiv über den von Bildungsministerin Johanna Wanka angekündigten „Digitalpakt“ berichteten. 

Investitionen in schwindelerrengender Höhe wurden demnach von Bund, Länder und Kommunen verschleppt. Da man aber beständig investieren sollte, bildet sich eben ein gefühlter oder tatsächlich erlebter Stau, der sich unter anderem in veralteten Systemen, nicht funktionierender Technik und unzeitgemäßer Ausstattung zeigt.

Investitionsstaus gibt es aber nicht nur im Umfeld der Bildung: In der Medizin und Pflege, im öffentlichen Nahverkehr, beim Bau bezahlbaren Wohnraums sowie der Digitalisierung und zahllosen weiteren Themen lahmt das System öffentlicher Umverteilung scheinbar. 

Der größte Teil dieser Diskussion erstreckt sich auf die Frage der richtigen Anlage von Geld. Das bringt allein der Begriff der Investition mit sich, der aus dem Lateinischen kommend zwar ursprünglich „bekleiden“ bedeutet, der aber heute fast ausschließlich mit langfristigen Käufen verbunden wird. 

Wir sollten mehr investieren lautet also die Kernbotschaft. Wir sollten PCs, Tablets, Roboter, Drucker, etc. der neuesten Generationen anschaffen und wir sollten Straßen, Gebäude, Bahngleise und mehr sanieren. All das stimmt im Kern!

Doch die Frage nach der Verteilung versprochener Gelder oder auch der Kampf um diese darf andere Investitionen nicht in den Hintergrund drängen. Zu investieren bedeutet schließlich sich dafür zu entscheiden, Ressourcen zu verteilen. Die Ressource „Geld“ ist aber nur eine Grundlage unseres Handelns und Denkens. Eine zweite wichtige Ressource ist unsere Zeit. 

Wir sollten individuell und gesellschaftlich sehr genau überlegen, wofür wir unsere Zeit aufwenden, wem und was wir sie widmen. Anstatt mehr Gegenstände anzuhäufen müssen wir zwingend in die Zeit investieren. Auf die Schule umgemünzt muss dringend hinterfragt werden, wie Digitalisierung, Inklusion, Heterogenität, größere Klassen etc. leistbar bleiben sollen, wenn nicht entsprechende zeitliche Entlastungen dazu befähigen. 

Abschließend ein letzter und aus meiner Sicht zentraler Investitionsstau. Während in den vergangenen Jahren viel Kraft, Wissen, Expertise und Geld in die Weiterentwicklung von Technik geflossen ist, sollte in Zukunft erwogen werden, wie wir moralische und ethische Debatten auf den gleichen Stand bringen können. 

Anstatt technischen Entwicklungen hinterher zu diskutieren oder moralische Erwägungen den Entwicklern selbst zu überlassen, muss es möglich sein gesamtgesellschaftliche Debatten über Technik-, Wissenschafts- und Medienethik zu führen. Anstatt immer darüber zu reden, wie etwas funktioniert und wann es das nächste davon zu welchem Preis gibt, sollten wir darüber sprechen, ob es gewisse Entwicklungen geben darf oder welchen Nutzen bzw. Gefahren bestimmte Forschungen für uns Menschen bergen. 

Hier liegt die besondere Aufgabe moderner Bildung: Nicht allein das WIE zu vermitteln, sondern das OB und das WARUM sowie das JA und NEIN zum Gegenstand des Denkens zu machen. 


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