Existentialismus im Unterricht

Wer bin ich?

Was macht mich aus?

Welchen Sinn hat mein Leben?

Was ist mein Platz in dieser Welt?

Sinnfragen wie diese stellen sich Menschen in unterschiedlichen Phasen ihres Lebens. Wenn Jugendliche ihren Platz in der Welt hinterfragen und darüber nachdenken, was sie nach der Schule lernen, studieren oder mit ihrer Zeit anfangen sollen, stoßen sie auf die Fragen nach Sinn und Richtung.

Existentialistische Philosophen wie Sartre oder Camus bieten in diesen Phasen der Sinnsuche einen reichhaltigen Schatz an Diskussionsanlässen und Gelegenheiten über sich und die Welt nachzudenken. 

Untrennbar verbunden mit der Frage nach dem Sinn ist auch die Suche nach der eigenen Freiheit. Jean-Paul Sartre kritisierte Vorstellungen wonach das Wesen des Menschen durch die Vorstellung göttlicher Schöpfung bereits vorherbestimmt sei. Stattdessen habe jeder Mensch die Möglichkeit sich selbst zu bestimmen und sein Wesen zu definieren. Diese Freiheit ist allerdings keine die ich wählen kann. Zu dieser Freiheit der Selbstbestimmung ist der Mensch verdammt, da er sich ihr stellen muss.

Auch in dieser Hinsicht finden sich Jugendliche im Existentialismus wieder: Ich habe nicht die Wahl das Erwachsenwerden abzulehnen und in kindlicher Fremdbestimmung und Sicherheit zu verbleiben. Selbst Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen und Entscheidungen zu treffen, deren Konsequenzen man tatsächlich selbst tragen muss, ist unglaublich schwer. Dies gilt insbesondere dann, wenn man nicht das Gefühl hat, dass „da draußen“ ein Plan für mich existiert, den ich nur entdecken muss, sondern dass es keinen Plan gibt, sofern er nicht von mir selbst gemacht wird.

Worin in dieser Sinnlosigkeit, deren Erkenntnis ebenso niederschmetternd sein kann wie seine Existenz, Glück zu finden ist, erklärt Albert Camus in seiner Interpretation des Sisyphos-Mythos: Die Erkenntnis einer völlig absurden Tätigkeit ohne jede Bedeutung nachzugehen, ist die eigentliche Strafe des Sisyphos für seine Überlistung des Todes. Der Stein, den er einen Berg hinaufzurollen hat bis dieser, kurz vor dem Ziel, wieder hinabrollt, ist nur eine Metapher für das mühsame und harte Leben. Das Blicken hinter den Schleier und die Erkenntnis der eigenen Bedeutungslosigkeit kann zur unauflösbaren Sinnkrise führen.

Camus Weg mit diesem Schicksal umzugehen ist für junge Erwachsene ebenso ansprechend, wie das von ihm aufgeworfene Problem. In Camus Deutung ist Sisyphos weder verzweifelt noch in einer Sinnkrise gefangen. Im Gegenteil: Man habe sich Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorzustellen! Indem der tragische Held sich seines Schicksals annimmt, indem er sich den Berg und den Stein zu eigen macht und jeden einzelnen Schritt als seinen Weg erkennt, erlangt er die Freiheit, die ihm dazu verhilft Bedeutung in seinem Handeln zu erkennen, da er es ist, der dieser Handlung – so sinnlos sie nach außen erscheinen mag – eine Bedeutung verleiht.

Gerade dieser Perspektivwechsel fasziniert und trägt die Beschäftigung mit dem Existentialismus im Unterricht:

Das Leben ist mehr als die Antizipation der Erwartungen anderer an meine Erfolge. Zu leben bedeutet, dem eigenen Handeln selbst Bedeutung zu verleihen. Dadurch ist die Suche nach Glück nicht das Warten auf den Gipfel des Berges. Glücklich ist nicht unbedingt derjenige, der Erfolge in der Ausbildung, dem Studium, dem Beruf, dem Sport oder einem anderen Gipfel nachjagt. Jeder der sein Glück auf diese Weise definiert wird erleben, dass der Stein wieder herunter rollt und der nächste Aufstieg wieder beginnt. 

Glück findet sich auf jedem Schritt des Weges, sofern ich es schaffe, mir diesen Moment bewusst zu machen und ihn zu meinem Moment werden lassen. 


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