Wir lernen in der Schule anhand konkreter Inhalte, methodisch und wissenschaftlich zu arbeiten.
Dabei ist der Gegenstand des Lernens in der Regel zweitrangig. Im Vordergrund steht die Methode, die aber eben mit Hilfe eines konkreten Themas geübt werden muss, das im besten Fall auch einen Bezug zu den Lernern hat, damit sowohl Gegenstand/Inhalt als auch Methode haften bleiben können.
Im Geschichtsunterricht üben wir insbesondere das kritische Lesen von Texten. Wenn gefragt wird, was der Geschichtsunterricht den Schülerinnen und Schülern im 21. Jahrhundert noch mitgeben kann bzw. weshalb dieser relevant ist, sind es eben diese beiden Ebenen, die zur Begründung herangezogen werden. Wir brauchen ein allgemeines Verständnis davon, woher wir kommen, was politischen, gesellschaftlichen und sozialen Grundlagen unserer Gegenwart sind – dies entspricht dem inhaltlichen Wissen. Daneben benötigen wir aber auch ein Verständnis kritischer Texterschließung, die in Zeiten digitaler Lebenswirklichkeiten orientierungsstiftend ist und deren Grundlage die kritische Quellenarbeit im Geschichtsunterricht sein kann, um uns in der Gegenwart orientieren zu können.
Im Studium historischer Quellen lernen Schülerinnen und Schüler bestimmte Fragen zu stellen und Formilia abzufragen:
Wer hat diesen Text wann und für wen geschrieben?
Um was für eine Art Text handelt es sich?
Was sind die wesentlichen Inhalte dieses Textes?
In welchem historischen, sozialen, politischen, religiösen, etc. Kontext steht dieser Text?
In der Folge fragen wir, welche Auswirkungen all diese Faktoren auf eine Beurteilung dieses Textes haben.
War der Autor/die Autorin Augenzeuge? Ist erkennbar, an wen er/sie sich wenden wollte und ist eine Intention bzw. eine Absicht gegenüber den Adressaten erkennbar? Kurzum: Warum schreibt wer in welcher Art und Weise über wen an wen?
Diese Frage stellen und beantworten zu können, ist im Zeitalter digitaler Textproduktion eine Kernkompetenz kritischer Wirklichkeitserschließung.
Wir üben also an den Gegenständen der Vergangenheit die Methoden zur Erschließung gegenwärtiger Wirklichkeit in gleichzeitiger Erarbeitung des faktischen Wissens, das eine Grundlage zur Erkenntnis der eigenen Lebenswelt bildet.
Dies alles gilt für menschliche Autoren, für die menschliche Perspektiven und menschliche Absichten vorausgesetzt werden können.
So lässt sich schulisch beispielsweise herausarbeiten, dass Widukind von Corvey als sächsischer Geschichtsschreiber ein eigenes Interesse vertritt, wenn er den Sachsenkönig Otto in der Schlacht am Lechfeld als großartigen Feldherrn darstellt, der im Namen der Christenheit und mit der heiligen Lanze in der Hand die feindlichen Ungarn zurückschlägt und in Anerkennung dieser Leistung von seinen Soldaten unterschiedlichster Herkunft als Vater des Vaterlandes ausgerufen wird.
Für KI generierte Texte können solche Arbeitsweisen aber nur bedingt angewendet werden.
Bei ChatGPT handelt es sich um einen KI basierten Chatbot. Es geht dem Programm nicht um eine Perspektive, Wahrheit oder eine bestimmte Agenda, denn es geht dem Programm um gar nichts. Wahrscheinlichkeiten entscheiden auf der Basis gigantischer Datenmengen darüber, wie sich ein Text aufbaut.
Eine kritische Textanalyse (im Wissen darum, dass es sich um einen KI generierten Text handelt) muss daher Untersuchungskriterien anpassen. Anstatt Intentionen und Publikum eines Autors in die Analyse einzubeziehen, kann der Prompt – also der Befehl zur Erstellung eines Textes – kritisch in den Blick genommen werden. Auch die Datenbasis eines Textes kann reflektiert werden. Dabei bleibt die Frage, inwiefern KI generierte Texte in den Kategorien historischer Quellenanalyse zu greifen sind und wie wir damit umgehen werden, dass wir oftmals einfach nicht wissen, ob ein Text einen menschlichen oder einen maschinellen Autor hat. Ähnliche Fragen stellen sich aber sicher auch in Zusammenhang mit der Bewertung KI generierter Kunst. Es bleibt ein spannendes Entwicklungsfeld der Didaktik der einzelnen Fächer aber auch der digitalen Ethik mit diesen Herausforderungen umzugehen.
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